Wie aber kommt es zur Auffassung, die von Karl gefundenen Heiligen Felix und Regula seien Angehörige der Thebäischen Legion? Um auf diese Frage eine Antwort zu bekommen, nehmen Sie am besten in den Bänken des Kirchenschiffes Platz!
Nun, Thebäerheilige wurden im Gebiete Zürichs vermutlich schon nach der Völkerwanderungszeit bekannt. Das Burgunderreich erstreckte sich bis nach Zürich, und die Thebäerverehrung spielte für die Burgunder eine wichtige Rolle. Was unter den Burgundern begonnen hatte, wurde später fortgesetzt: Unter den Karolingern, unter den Ottonen, schliesslich in mehreren Schüben während des Mittelalters sowie im 15. und frühen 16. Jahrhundert.
Die älteste Fassung, die wir besitzen, wurde vom Mönch und späteren Bischof Eucherius aus Lyon gegen 430 aufgezeichnet.
Eucherius ging es einerseits um die Pflege der Erinnerung. Der Kult der Glaubenszeugen hielt ja die christlichen Gemeinden traditionell zusammen. Es ging Eucherius aber auch um Innovation. Es lag ihm eine kreative Stärkung des Glaubens sowie der neuen Begegnungszentren bei Wallfahrtsorten und Klöstern am Herzen. Die Thebäer kamen aus Ägypten, der Wiege des Mönchtums, wie Jerusalem einem Traumreiseziel damaliger Christen. Die Stätte des Martyriums der Thebäer sollte ähnlich attraktiv werden. Eucherius war überzeugt: Sie bot ein spirituelles Jerusalem in unmittelbarer Nähe, eine Kirche, ein Kloster, einen durch Lage und Natur privilegierten Ort. Hier wurden Kranke gesund, hier gab es Sicherheit und Hoffnung in gefährlichen Zeiten, in denen man sich manchmal vor bösen Herrschern und dann wieder vor gewalttätigen, aufständischen Truppen zu fürchten hatte.
Der Kult des Mauritius und der Thebäer breiteten sich rasch aus. Ein wichtiger Faktor war die Förderung durch die Burgunderkönige. Der burgundische König Sigismund gründete 515 in St-Maurice das Kloster neu. Es ist über die Zeiten hinweg – bis heute – das Zentrum der Mauritiusverehrung geblieben. Das Burgunderreich, das vielleicht sogar bis Zürich reichte, bildet die Kernzone der Verehrung. Entlang der alten Römerstrassen finden wir immer mehr Orte mit Thebäerheiligen.
Die Stadtheiligen Felix und Regula wurden im Frühmittelalter thebäisiert. Die Thebäer hatten damals auch bei den karolingischen und ottonischen Herrschern immer grösseres Ansehen gewonnen. Ihre Bekanntheit wuchs kontinuierlich. Unter den Reichsinsignien befand sich die Mauritiuslanze, selbstverständlich behandelte die Legenda aurea die Thebäische Legion, die Savoyer schätzten Mauritius ebenso wie Angehörige von Ritterorden. In Zürich gesellte sich im 13. Jahrhundert ein weiterer Thebäer zur stetig wachsenden Schar: Exuperantius. Eine Altartafel aus der Kapelle St. Moritz in Zürich-Unterstrass zeigt ihn zusammen mit Christus und dem Geschwisterpaar Felix und Regula. 1506 ist das Werk entstanden.
Im ausgehenden 8. Jahrhundert hat wahrscheinlich ein alemannischer Kleriker die älteste Passio verfasst. Sie berichtet, dass Felix und Regula auf Geheiss des Mauritius über die Alpen flohen und schliesslich nach Zürich gelangten.
Doch auch dort hatte der tyrannische Christenverfolger Kaiser Maximian seine Schergen. Felix und Regula wurden gefasst, gepeinigt und am Ufer der Limmat geköpft. Am Ort ihrer Enthauptung steht heute die Wasserkirche.
Nach der Legende nahmen die Geköpften ihre Häupter unter die Arme und trugen sie 40 Ellen weit den Berg hinauf bis zu der Stelle unter dieser Kirche, wo sie bestattet wurden. Vermutlich befand sich zu dieser Zeit an jenem Ort ein römisches Gräberfeld.
Die älteste bekannte Darstellung findet sich im Stuttgarter Passionale der Württembergischen Landesbibliothek aus der Zeit um 1130.
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