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philosophische fakultät

3.4 Grossmünster: Thebäische Legion

Die Legende der Thebäischen Legion

Wie aber kommt es zur Auffassung, die von Karl gefundenen Heiligen Felix und Regula seien Angehörige der Thebäischen Legion? Um auf diese Frage eine Antwort zu bekommen, nehmen Sie am besten in den Bänken des Kirchenschiffes Platz!

Völkerwanderung (3.–5. Jh.)
Burgunderreich bis 534, Karolinger, Ottonen

Nun, Thebäerheilige wurden im Gebiete Zürichs vermutlich schon nach der Völkerwanderungszeit bekannt. Das Burgunderreich erstreckte sich bis nach Zürich, und die Thebäerverehrung spielte für die Burgunder eine wichtige Rolle. Was unter den Burgundern begonnen hatte, wurde später fortgesetzt: Unter den Karolingern, unter den Ottonen, schliesslich in mehreren Schüben während des Mittelalters sowie im 15. und frühen 16. Jahrhundert.

Hans Leu

Altartafel Hans Leu
Hans Leu, Altartafel um 1513 (Landesmuseum)
Hans Leu der Jüngere hat sich den Anführer der Thebäischen Legion, Mauritius, auf einer Altartafel um 1514 als geharnischten Ritter vorgestellt.

Legende („legenda sunt“) und Erinnerung an die letzten grossen Christenverfolgungen von 303

Die Legende des Martyriums der Thebäischen Legion in St-Maurice im Wallis hält die Erinnerung an die letzten grossen Christenverfolgungen von 303 bis 305 n. Chr. wach. Sie entstand im ausgehenden 4. Jahrhundert.

Zuerst zum Bericht der Legende, die man an den Gedenktagen der Märtyrer während der liturgischen Feiern lesen muss – »legenda sunt«, davon das Wort Legende.
Von Legenden gibt es immer mehrere Fassungen, weil im Leben der Gemeinden immer wieder neue Bedürfnisse entstehen.

Bischof Eucherius von Lyon und seine Anliegen (gegen 430)

Die älteste Fassung, die wir besitzen, wurde vom Mönch und späteren Bischof Eucherius aus Lyon gegen 430 aufgezeichnet.
Eucherius ging es einerseits um die Pflege der Erinnerung. Der Kult der Glaubenszeugen hielt ja die christlichen Gemeinden traditionell zusammen. Es ging Eucherius aber auch um Innovation. Es lag ihm eine kreative Stärkung des Glaubens sowie der neuen Begegnungszentren bei Wallfahrtsorten und Klöstern am Herzen. Die Thebäer kamen aus Ägypten, der Wiege des Mönchtums, wie Jerusalem einem Traumreiseziel damaliger Christen. Die Stätte des Martyriums der Thebäer sollte ähnlich attraktiv werden. Eucherius war überzeugt: Sie bot ein spirituelles Jerusalem in unmittelbarer Nähe, eine Kirche, ein Kloster, einen durch Lage und Natur privilegierten Ort. Hier wurden Kranke gesund, hier gab es Sicherheit und Hoffnung in gefährlichen Zeiten, in denen man sich manchmal vor bösen Herrschern und dann wieder vor gewalttätigen, aufständischen Truppen zu fürchten hatte.

Nun zur Legende

Martyrium der Thebäer
Martyrium der Thebäer (Kapelle Vérolliez, St. Maurice)
In Acaunus – dem heutigen St-Maurice im Kanton Wallis – sei eine ganze Legion römischer Legionäre für ihren christlichen Glauben hingerichtet worden: Bestärkt durch ihren Kommandanten Mauritius weigerten sich die Soldaten, andere Christen zu verfolgen. So gehorchten sie Gott. Zugleich erfüllten sie ihre weltliche Dienstpflicht gegenüber dem römischen Kaiser Maximian. Sie leisteten keinen Widerstand, als Maximian sie in einem furchtbaren Blutgericht einen nach dem andern abschlachten liess. In St-Maurice gibt es an der Richtstätte eine Kapelle, in der man des grausigen Geschehens gedenkt.

Theodor von Octodurus / Martigny (nach 380)

Theodor
Theodor (Landesmuseum)
Bischof Theodor von Octodurus – dem heutigen Martigny – fand wohl etwas nach 380 die Gebeine der Märtyrer und sorgte für die Verehrung der Heiligen in Acaunus / St-Maurice. Theodor – später auch Theodul – ist selbst ein vielverehrter Heiliger geworden. Wir sehen ihn hier auf einer spätmittelalterlichen Altartafel aus dem Wallis. Er hat wie gesagt im ausgehenden 4. Jahrhundert gelebt und war wie Eucherius bewegt von den Ideen des aus dem Osten kommenden Mönchtums. Die Asketen entwarfen eine neuen Lebensweise. Sie richtete sich nach den besten Dienstvorschriften, die es überhaupt gab, den Geboten Gottes.

Ausbreitung der Thebäerverehrung

mapAusbreitung.jpg
Ausstrahlung von St. Maurice in Gallien und im Frankenreich von 590-754. Zur grösseren Ansicht: Klick auf die Karte

Der Kult des Mauritius und der Thebäer breiteten sich rasch aus. Ein wichtiger Faktor war die Förderung durch die Burgunderkönige. Der burgundische König Sigismund gründete 515 in St-Maurice das Kloster neu. Es ist über die Zeiten hinweg – bis heute – das Zentrum der Mauritiusverehrung geblieben. Das Burgunderreich, das vielleicht sogar bis Zürich reichte, bildet die Kernzone der Verehrung. Entlang der alten Römerstrassen finden wir immer mehr Orte mit Thebäerheiligen.

Urs und Victor
Solothurner Thebäer Urs und Viktor zusammen mit Mauritius (Landesmuseum)
Thebäer sind Victor in Genf, Urs und Viktor in Solothurn, Verena in Zurzach, aber auch viele Heilige im deutschen Rheinland oder in Norditalien; so Cassius und Florentius in Bonn, Gereon in Köln, Viktor in Xanten, Adventor, Octavius und Solutor in Turin. Im Bild sehen wir die Solothurner Thebäer Urs und Viktor zusammen mit Mauritius auf einem Altarbild des 17. Jahrhunderts aus Schloss Thierstein.

Die Verbreitung der Verehrung erfolgte zum einen immer wieder durch die Weggabe von Reliquien des Mauritius und seiner Gefährten an andere Orte, in denen diese dann auch als Heilige verehrt wurden, zum anderen durch die Aufnahme von neuen Heiligen ins Umfeld der Thebäer, die Thebäisierung.

Die Stadtheiligen Felix und Regula wurden im Frühmittelalter thebäisiert. Die Thebäer hatten damals auch bei den karolingischen und ottonischen Herrschern immer grösseres Ansehen gewonnen. Ihre Bekanntheit wuchs kontinuierlich. Unter den Reichsinsignien befand sich die Mauritiuslanze, selbstverständlich behandelte die Legenda aurea die Thebäische Legion, die Savoyer schätzten Mauritius ebenso wie Angehörige von Ritterorden. In Zürich gesellte sich im 13. Jahrhundert ein weiterer Thebäer zur stetig wachsenden Schar: Exuperantius. Eine Altartafel aus der Kapelle St. Moritz in Zürich-Unterstrass zeigt ihn zusammen mit Christus und dem Geschwisterpaar Felix und Regula. 1506 ist das Werk entstanden.

Altartafel Kapelle St. Moritz
Altartafel aus der Kapelle St. Moritz Zürich-Unterstrass, 1506 (Landesmuseum)

Leidensgeschichte (Passio) der Stadtheiligen (Ende 8. Jh.)

Im ausgehenden 8. Jahrhundert hat wahrscheinlich ein alemannischer Kleriker die älteste Passio verfasst. Sie berichtet, dass Felix und Regula auf Geheiss des Mauritius über die Alpen flohen und schliesslich nach Zürich gelangten.
Doch auch dort hatte der tyrannische Christenverfolger Kaiser Maximian seine Schergen. Felix und Regula wurden gefasst, gepeinigt und am Ufer der Limmat geköpft. Am Ort ihrer Enthauptung steht heute die Wasserkirche.
Nach der Legende nahmen die Geköpften ihre Häupter unter die Arme und trugen sie 40 Ellen weit den Berg hinauf bis zu der Stelle unter dieser Kirche, wo sie bestattet wurden. Vermutlich befand sich zu dieser Zeit an jenem Ort ein römisches Gräberfeld.
Die älteste bekannte Darstellung findet sich im Stuttgarter Passionale der Württembergischen Landesbibliothek aus der Zeit um 1130.

Stuttgarter Passionale
Aelteste Darstellung der Stadtheiligen im sog. Stuttgarter Passionale, cod.bibl.fol. 56, p. 89 v, um 1130
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Das Grossmünster
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