In Europa sind zahlreiche Arbeitsgruppen damit beschäftigt, die gemeinsame europäische Privatrechtstradition herauszuarbeiten. Einige dieser Vorhaben haben die Schaffung eines europäischen Zivilgesetzbuchs zum Ziel. Das Projekt "The Common Core of European Private Law" ist hier eher skeptisch: Die Verabschiedung gemeinsamer Regeln kann erst gelingen, wenn das gegenseitige Verständnis grösser geworden und eine gemeineuropäische Rechtskultur entstanden ist. Das Common Core-Projekt erarbeitet zu diesem Zweck eine "Kartographie" der verschiedenen europäischen Rechtsordnungen, welche zunächst eine Bestandsaufnahme von Trennendem und Verbindendem liefern soll.
Das Common Core-Projekt ist organisatorisch an die Universität Trento (Italien) angebunden. Mehrere hundert Rechtswissenschaftler treffen hier im Sommer zusammen, um in Arbeitsgruppen die verschiedenen Unterprojekte voranzutreiben. Die Arbeitssprache ist Englisch. Interessenten sind willkommen. Nach Abschluss eines juristischen Studiums ist es möglich, an einer der Arbeitsgruppen teilzunehmen. Viele Doktoranden sind Autoren von Länderberichten, welche Eingang in die einzelnen Projekt-Bände finden. Mehrere Werke wurden bereits veröffentlicht (z.B. "Good Faith in European Contract Law", "Pure Economic Loss in Europe", "Commercial Trusts in European Private Law"). Nähere Angaben finden sich auf den Websites der beteiligten Verlage Cambridge University Press und Stämpfli.
Auf der Grundlage rechtsvergleichender Ansätze von Schlesinger und Sacco ist die Methode des Projekts fallorientiert. Sammlungen typischer Fälle werden erarbeitet, welche von Länderberichterstattern gelöst werden. Dieses Material bildet die Grundlage für rechtsvergleichende Überlegungen und die Herausarbeitung des gemeineuropäischen "Common Core".
Ohne Rechtsvergleichung kann die Suche nach dem "Richtigen Recht" nicht gelingen. Die Schweiz hat in Wissenschaft und Praxis der Rechtsvergleichung eine Führungsrolle. Besondere Beachtung sollten deshalb diejenigen Forschungsvorhaben finden, welche nicht die Erarbeitung zentralisierter Regeln zum Ziel haben, sondern die aus dem gesamteuropäischen Erfahrungsschatz schöpfen.