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Rechtswissenschaftliche Fakultät

Schwerpunkte im Internationalen Privatrecht

Projekte am Lehrstuhl von Prof. Schnyder

Scheidung über die Grenze hinweg

Ein Beispiel aus der Praxis

Internationales Privatrecht

Allgemeines

In vielen Fällen darf man davon ausgehen, dass Rechtsfragen, die sich hier stellen, durch schweizerisches Recht beantwortet werden. Wenn ein Zürcher in Bern von einem Basler einen Personenwagen erwirbt, wird er sich nicht fragen, ob der betreffende Kaufvertrag ebenfalls nach deutschem Recht gültig wäre, und es ist für die Beurteilung des Kaufvertrags auch belanglos.

Das ist anders, sobald der Fall einen gewissen Bezug zum Ausland aufweist. Verkauft eine Schweizerin ihren Wagen an eine Person mit Wohnsitz in Deutschland, stellen sich sofort Fragen mit Bezug auf deutsches wie auch auf schweizerisches Recht. Wenn der deutsche Käufer den Kaufpreis nicht bezahlt, kann die Verkäuferin in Deutschland klagen? Ist der Vertrag gültig? Beantwortet sich diese Frage nach deutschem oder nach schweizerischem Recht? Wenn ein Urteil in der Schweiz ergeht, kann Deutschland gestützt auf dieses Urteil Vermögen des Käufers pfänden? Ähnliche Fragen stellen sich auch bei Eheschliessungen zwischen Angehörigen verschiedener Staaten, bei Scheidungen, bei Verträgen, bei Verkehrsunfällen im Ausland usw.

In solchen Fällen ergeben sich Fragen auf drei Ebenen: Fragen auf drei Ebenen:

1.

Welches Gericht ist zuständig, um über Streitfälle zu entscheiden (Gerichtsstand)?

2.

Das Recht welchen Staates wendet es dabei in der Sache an (anwendbares Recht)?

3.

Wenn es ein Urteil fällt, ist die Wirkung dieses Urteils auf den betreffenden Staat beschränkt, oder kann ein ausländischer Staat gestützt auf das Urteil Massnahmen ergreifen (Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile)?

Mit allen diesen Fragen beschäftigt sich das Internationale Privatrecht (oft kurz als „IPR“ bezeichnet). Das IPR umfasst deshalb einerseits Fragen des Verfahrensrechts (Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung) und andererseits Fragen des in der Sache anwendbaren Rechts. Der erste Teil wird als internationales Zivilprozessrecht bezeichnet („IZPR“), der zweite Teil entweder als „IPR im engeren Sinne“ oder als Verweisungs- oder Kollisionsrecht – es beruft die relevante, die anwendbare Rechtsordnung.

Solche Fragen betreffen nicht nur einen Staat allein, sondern das Verhältnis zwischen der Gerichtsbarkeit eines Staates zu jener eines anderen, den Anwendungsbereich einer Rechtsordnung zu jenem einer anderen. Sie berühren deshalb die Souveränität: Die Schweiz würde es nicht akzeptieren, wenn ein amerikanisches Gericht ein Urteil fällen würde in einem Streit zwischen zwei Schweizern, die in der Schweiz wohnhaft sind, über einen Kauf eines Grundstücks in der Schweiz – sie könnte das amerikanische Gericht zwar nicht daran hindern, aber nichts würde sie zwingen, das Urteil anzuerkennen und zu vollstrecken.

Da jeder Staat in seiner Souveränität grundsätzlich selbst bestimmt, wann er sich als zuständig erachtet und welches Recht er anwendet, besitzt jeder Staat sein eigenes Gesetz über das Internationale Privatrecht (in der Schweiz das IPRG). Man könnte also sagen, dass das Internationale Privatrecht trotz seines Namens nicht internationales Recht ist, sondern weitgehend nationales Recht für internationale Sachverhalte.

Eine solche Lösung hat den Nachteil, dass international keine einheitlichen Regeln zu Fragen des IPR bestehen. Gerade der internationale Handel ist aber auf eine klare Regelung dieser Fragen ebenso angewiesen wie auf eine gerechte Behandlung, d.h. auf gleiche Regeln für mehrere Staaten. Es bestehen deshalb eine Vielzahl von internationalen Abkommen, die Fragen der Zuständigkeit, des anwendbaren Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung regeln (das für die Schweiz wichtigste Abkommen in diesem Bereich ist wohl das Lugano-Übereinkommen, „LugÜ“). Seltener ist der Fall, dass in einem Abkommen direkt anwendbare, inhaltliche (materielle) Regeln vereinbart werden. Das bekannteste Beispiel solcher Staatsverträge dürfte das UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf sein.

Im Bereich dieser Konventionen gilt nicht mehr das nationale Recht, sondern das Recht der internationalen Abkommen – gerade darin besteht ihr Sinn.