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Rechtswissenschaftliche Fakultät

Urheberrecht und Informationsgesellschaft

Vor mehr als einem Jahrzehnt begann man, die Bedeutung des Begriffs „Informationsgesellschaft“ zu verstehen. Die Anpassung des Urheberrechts an die damit verbundene technische Entwicklung führte aber bloss zu einer Stärkung der Rechtsstellung der Rechteinhaber. Dies muss aber nicht für alle Sachverhalte die richtige Lösung sein. Insbesondere wenn „Wissen“ als ein hoch sensibles Gut für die Allgemeininteressen involviert ist, ist grösste Achtsamkeit erforderlich. In diesem Kontext ist es verheerend, wenn das Urheberrecht seine Funktion verfehlt, einen adäquaten Interessensausgleich zwischen allen Beteiligten sicher zu stellen.

Ein Schauplatz für diese Entwicklungen ist der Bereich der wissenschaftlichen Forschung. Deren spezifische Bedürfnisse wurden bei den jüngsten Anpassungen des Urheberrechts zu einem grossen Teil vernachlässigt. Etwa in Deutschland wird die Herausforderung zwar thematisiert, doch scheinen nur zwei Fragen von Interesse zu sein: In welchem Ausmass dürfen Dienstleistungsanbieter Kopien von gedruckten Artikeln an Forschende weiterleiten, und inwieweit sind Arbeitsplätze in Bibliotheken zur Betrachtung von eingescannten Büchern ein berechtigtes Anliegen? Beide Fragen sind Zeugen der vergangenen Ära einer analogen Welt. Das Faktum, dass Forschungsergebnisse zunehmend auf einer „e-only“-Basis publiziert werden, wird weiterhin ignoriert.

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Tatsächlich ist es aber höchst problematisch, wenn elektronische Datenbanken, die Forschungsresultate beinhalten, mit (gegen Beseitigungsversuche rechtlich geschützten) technischen Schutzmassnahmen kombiniert werden. Damit erlangen diejenigen, welche die Datenbanken betreiben, die volle Zugangskontrolle betreffend die gespeicherte Information. Die Verlage arbeiten nämlich regelmässig unter der Bedingung, dass Wissenschaftler ihnen die Urheberrechte an ihren wissenschaftlichen Beiträgen exklusiv übertragen. Das Ergebnis ist, dass der betreffende Verleger allein über die faktische und rechtliche Kontrolle an den Daten verfügt. Sind diese Daten in dem Sinne einmalig, dass ein Ersatz durch andere Informationsquellen nicht möglich ist, liegt die Folge auf der Hand: In gerade mal zehn Jahren haben sich die Preise für wissenschaftliche Veröffentlichungen verfünffacht!

Besonders störend an dieser Situation ist, dass wissenschaftliche Institutionen wie Universitäten in einem beachtlichen Ausmass durch öffentliche Gelder finanziert werden. Das Ergebnis der Forschung – das Recht am wissenschaftlichen Beitrag – indes wird zwingend „privatisiert“, da Verleger ihr Geschäft einzig auf der Bedingung der Abtretung der relevanten Urheberrechte zu betreiben bereit sind und dabei naturgemäss nach Gewinnmaximierung streben. Für eine lange Zeit kümmerte dies niemanden, weil es offensichtlich war, dass von einem Verleger nicht erwartet werden konnte, seine Funktion unentgeltlich wahrzunehmen. Allerdings ging die Rechnung nicht mehr auf, als in der elektronischen Umgebung die Kosten der Verlage massiv gesunken – aber zur gleichen Zeit die Preise der Verlagsprodukte signifikant gestiegen sind. Die Auswirkung dieser Preissteigerung ist, dass Forschungsinstitute einen grossen (wiederum öffentlichen) Geldbetrag investieren müssen, um die wissenschaftlichen Informationen von den Verlagen gewissermassen wieder zurück zu kaufen. Denn wenn sie forschen wollen, ist die Datenbanknutzung für sie unumgänglich. Die Frage stellt sich, ob ein solcher Umweg über die Verlage nicht schlicht überflüssig sei. In der Tat gehen die Überlegungen der Forschungsinstitute inzwischen in diese Richtung; das neue Schlagwort heisst „open access“.

Was ist daraus zu lernen? Auf den ersten Blick sieht es wie eine Umstrukturierung einer veralteten Marktstruktur aus – in diesem Fall des Marktes für wissenschaftliche Publikationen. Bei näherer Betrachtung sollte man jedoch kritisch hinterfragen, ob solche Veränderungen wirklich erstrebenswert sind. Heutzutage investieren wissenschaftliche Organisationen ansehnliche Mittel in open access-Projekte (zum Beispiel ZORA der Universität Zürich). Damit wird aber eine wesentliche Errungenschaft unserer modernen Gesellschaft – die Arbeitsteilung – kurzerhand umgekippt: Wissenschaftler spielen Verleger, ohne dafür qualifiziert zu sein. Die Wissenschaftsgemeinschaft hat zurzeit aber gar keine andere Wahl, um die Verleger zur Vernunft zu bringen. Denn unsere antiquierten Urheberrechtsgesetze haben es verpasst, den zwingend erforderlichen Interessensausgleich zu schaffen.