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Rechtswissenschaftliche Fakultät

Starkes Völkerrecht

«Israel bombardiert Stützpunkte im Libanon». «Moskau verlangt von London die Auslieferung eines russischen Geschäftsmannes, dem Betrug vorgeworfen wird». «Grossbritannien erklärt den russischen Botschafter zur persona non grata». «Die USA vereinbaren mit Indien ein Atomabkommen». «Die Weltgesundheitsorganisation erlässt Richtlinien zur Bekämpfung der Vogelgrippe». «Die Chefanklägerin verlangt die Überstellung eines mutmasslichen Kriegsverbrechers aus Serbien an den Internationalen Gerichtshof».

Fahnen

Diese Schlagzeilen aus der Tagespresse zeigen, dass uns das Völkerrecht tagtäglich begleitet. Das Völkerrecht regelt das Verhältnis zwischen den Staaten. Diese Normen werden einerseits von den Staaten selber vereinbart (typischerweise in einem völkerrechtlichen Vertrag). Andererseits werden auch internationale Organisationen (z.B. die UNO, die Weltgesundheitsorganisation) häufig aktiv. Das Völkerrecht ist heute zu einem mächtigen Regelungsbereich angewachsen, der für das Funktionieren der Staatengemeinschaft unabdingbar geworden ist. Die einzelnen Staaten sind in ein dichtes Geflecht von internationalen Normen eingebunden. Der Regulierungsbedarf auf internationaler Ebene entsteht vor allem durch die globale Dimension vieler aktueller Probleme. So macht es etwa wenig Sinn, die Klimaerwärmung oder den Terrorismus auf nationaler Ebene bekämpfen zu wollen. Darüber hinaus funktioniert ein Lösungsansatz auf internationaler Ebene häufig nur, wenn sich alle wichtigen Staaten bereit erklären mitzumachen. Gerade bei der Klimaerwärmung ist das Abseitsstehen von grossen CO2-Emittenten (wie den USA oder Australien) fatal. Niemand kann diese Staaten, die sich nicht in ein internationales Regime einbinden lassen wollen, zu einer Kooperation zwingen. Darin liegt eine erste Schwäche des Völkerrechts. Eine zweite ergibt sich aus dem Umstand, dass alle Staaten an einen Verhandlungstisch gebracht werden müssen und dass in diesem Rahmen ein Kompromiss gefunden werden muss. Das Verhandlungsergebnis entspricht deshalb häufig dem kleinsten gemeinsamen Nenner auf internationaler Ebene oder dem Diktat der mächtigsten Staaten. Die Fortschritte, die im internationalen Bereich gemacht werden können, sind deshalb häufig bescheiden und entsprechen nicht den Vorstellungen von einzelnen Staaten. Die letzte – und wohl grösste – Schwäche des Völkerrechts liegt in seiner mangelnden Durchsetzbarkeit. Hält sich ein Staat nicht an eine völkerrechtliche Abmachung, so gibt es keine internationale Polizei, die mit Zwangsgewalt für die Einhaltung des Völkerrechts sorgen könnte.

Trotz all seiner Schwächen ist das Völkerrecht ein starkes Rechtsgebiet. Völkerrecht ist nicht einfach ein Machtspiel zwischen den Grossmächten, sondern Recht, das eingehalten werden muss. Die Position der Vereinigten Staaten, die in jüngster Zeit das Völkerrecht häufig nur beachten, wenn es in ihrem eigenen geopolitischen oder wirtschaftlichen Interesse liegt, wird von den meisten Staaten Europas abgelehnt. Gerade die Schweiz als Kleinstaat hat ein vitales Interesse daran, dass das Völkerrecht von allen eingehalten wird. Von dieser Überzeugung zeugt auch die jüngste Entwicklung im internationalen Recht, in der immer häufiger Völkerrechtsbrüche nicht mehr einfach reaktionslos hingenommen werden. Die Inhaftierung mutmasslicher Terroristen auf Guantànamo hat einen anhaltenden Protest der internationalen Gemeinschaft ausgelöst. Immer mehr internationale Streitschlichtungsorgane oder Gerichte beschäftigen sich mit Völkerrechtsverletzungen (z.B. der Internationale Gerichtshof in Strafsachen oder die Streitschlichtungsorgane der WTO). Diese Organe können zwar nicht unmittelbar in die Souveränität der Staaten eingreifen. Sie stellen aber die Völkerrechtsverletzungen fest, was ein bedeutender Schritt ist. Die autoritative Feststellung des Völkerrechtsbruches stärkt nämlich den Rechtscharakter des Völkerrechts. Indem diese Organe die fehlbaren Staaten an den Pranger stellen, wird das völkerrechtliche Bewusstsein der internationalen Öffentlichkeit sensibilisiert. Viele Staaten erkennen heute die konkreten Vorteile, die ihnen aus der Einhaltung des Völkerrechts erwachsen. Nur eine intensive Kooperation auf internationaler Ebene gibt der Staatengemeinschaft die Chance, vitale Probleme auch effektiv zu lösen.