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Rechtswissenschaftliche Fakultät

Sicherung und Durchsetzung von Menschenrechten in Europa

Europa ist die Wiege der Menschenrechte. Hier wurde erstmals der Gedanke formuliert, dass jedem Mensch Rechte ohne weiteres zustehen, d.h. nur weil er Mensch ist. Die meisten nationalen Verfassungen schützen deshalb die Würde des Menschen. Der Holocaust diskreditierte jedoch diese Idee völlig. Die moderne Erfahrung des Völkermordes ebnete den Weg für die Verankerung der Menschenrechte auf internationaler Ebene. So entstand 1950 die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Zu ihrer Durchsetzung wurde der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg (EGMR) geschaffen.

Gerichtshof Strassburg
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg
Die Menschenrechte sind somit auf der nationalen und auf der europäischen Ebene verankert. Das Forschungsprojekt „Rezeption der EMRK in Europa“ geht der Frage nach, wie diese beiden Schutzmechanismen miteinander zusammenspielen. Zum Beispiel kann sich zwischen dem EGMR und den nationalen Gerichten eine Konkurrenzsituation ergeben. Das deutsche Bundesverfassungsgericht oder die italienische Corte Costituzionale, die strenge Hüter der nationalen Menschenrechte sind, lassen sich nicht gerne aus Strassburg die Schutzstandards diktieren. Zwischen den Schutzmechanismen auf europäischer und nationaler Ebene können aber auch Synergien entstehen. So lehnt sich das spanische Verfassungsgericht gerne an die Rechtsprechung des EGMR an und legitimiert damit seine Entscheide. Die Gründe für diese unterschiedliche Haltung der nationalen Gerichte ist Thema des Forschungsprojektes.

An den EGMR in Strasburg kann jeder gelangen, der sich in seinen Grundrechten verletzt glaubt und auf nationaler Ebene erfolglos seine Menschenrechte eingeklagt hat. Das Verfahren ist kostenlos. Jährlich gehen beim Gerichtshof ca. 30'000 Beschwerden ein. Die meisten Beschwerden stammen aus Polen, Russland und der Türkei. Auch aus der Schweiz gelangen immer wieder Beschwerden nach Strassburg. Heute ist der Gerichtshof völlig überlastet. Eine zentrale Frage des Forschungsprojektes lautet deshalb, wie man den Menschenrechtsschutz auf nationaler Ebene stärken kann, damit der Schutzmechanismus auf europäischer Ebene entlastet wird.

Der Gerichtshof in Strassburg ist häufig mit schweren Menschenrechtsverletzungen konfrontiert. So gelangen immer wieder Menschen an den EGMR, die in Polizeihaft gefoltert wurden. Oft machen Verwandte in Strassburg auch geltend, dass ihre Angehörigen im staatlichen Machtapparat verschwunden sind. Hintergrund dieser schweren Menschenrechtsverletzungen sind Minderheitskonflikte (z.B. die Kurden in der Türkei oder die Tschetschenen in Russland). Hier verfolgt der EGMR eine mutige Rechtsprechung und pocht darauf, dass die Menschenrechte auch für diese Minderheiten gewährleistet sein müssen. Die Durchsetzung dieser Urteile ist allerdings besonders schwierig, weil der Gerichtshof über keine Zwangsgewalt verfügt, d.h. er kann nicht mit Polizeigewalt in einem verurteilten Staat für die Einhaltung der Menschenrechte sorgen. Der Gerichtshof ist somit auf den guten Willen der Staaten angewiesen, die letztlich für die Einhaltung der Urteile verantwortlich sind. Für die Umsetzung in den Staaten sind alle Teile der Gesellschaft gefragt: nationale Gerichte (auch auf unterster Ebene), Verwaltungsbehörden, die nationalen Parlamente, aber auch Anwälte sowie Menschenrechtsorganisationen und die Universitäten, an denen der Schutz der Menschenrechte gelehrt wird. Das Forschungsprojekt untersucht, welche Massnahmen die Durchsetzung von Menschenrechtsstandards stärken kann. Insgesamt geht dieses Forschungsprojekt dem einzigartigen Erfolg der Menschenrechte in Europa nach und will Vorschläge formulieren, wie die Menschenrechte in Zukunft weltweit besser geschützt werden könnten.