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Der mit dem Roboter tanzt

Das Artificial Intelligence Lab am Institut für Informatik der Universität Zürich will eine Tradition der Zusammenarbeit mit Kunstschaffenden aufbauen. Zur Zeit ist der Choreograf Pablo Ventura bei den Roboterforschern zu Gast.

Von David Werner

Pablo Ventura, einst Tänzer, heute Choreograf, hegt schon lange den Wunsch, einen Roboter zu bauen, der sich bewegen kann wie ein Mensch; oder zumindest wie ein lebendiges Wesen. Mit diesem Wunsch ist er in Rolf Peifers Artificial Intelligence Lab in Zürich-Nord an der genau richtigen Adresse. Die Roboter, mit denen hier experimentiert wird, wirken motorisch alles andere als roboterhaft. Nichts, dass da ruckelt und zuckelt. Alle Verrichtungen der künstlichen Körper erscheinen verblüffend unangestrengt und fliessend, fast organisch. Einige der zumeist eher unscheinbaren Maschinchen tollen welpenhaft auf vier Pfoten zwischen Tischen und Stühlen umher. Andere schwimmen wie Fische mit biegsamem Rumpf und elegant hin- und herschlagender Schwanzflosse durchs Wasserbecken. Wieder andere wuseln über den Fussboden, indem sie sich mit angesteckten Ratten-Schnurrbarthaaren behende ihren Weg durchs Labor ertasten.

Künstliche Wesen ganz natürlich

In Pfeifers Labor werden künstliche Körper durch geschicktes Ausnutzen von Materialeigenschaften so konstruiert, dass sie mit möglichst wenig Steuerungsaufwand möglichst komplexe Bewegungen ausführen können. Dahinter steckt eine ganze Philosophie, die als «Embodiment» bezeichnet wird. Intelligenz – die künstliche genauso wie die natürliche – wird nicht bloss als Programm verstanden, das in Hirnen oder Computern abläuft, sondern als Art und Weise,wie Körper mit ihrer Umwelt interagieren. Entsprechend hängt die Motorik der am AI-Lab gebauten Roboter nicht primär von einer zentralen Steuerung ab, sondern gründet – wie bei Menschen und Tieren – auf der Eigendynamik und Eigengesetzlichkeit des Körpers. In gewisser Hinsicht bewegen sich diese künstlichen Gebilde also tatsächlich auf natürliche Weise: sie bewegen sich ihrer physischen Beschaffenheit gemäss.

Von der Informatik ausgehend, kam Intelligenzforscher Rolf Pfeifer auf die Physis. Genau umgekehrt verlief der Weg des Choreografen PabloVentura: Vom menschlichen Körper kommend, entdeckte er die Technologie. In den Science-Fiction-artigen Inszenierungen des seit vielen Jahren in der Schweiz lebenden Spaniers müssen Tänzer Figuren ausführen, die mit Hilfe eines Softwareprogramms namens «Life Forms» berechnet wurden. Die Entwicklung von Tanzfiguren am Computer ist für Ventura eine Möglichkeit, sich von vertrauten menschlichen Bewegungsmustern radikal zu entfernen. Seine zweite Spezialität sind Performances von roboterartigen «Tanzmaschinen». In beiden Aufführungstypen hintertreibt er die geläufigen Unterscheidungen von Körper und Technik, Natürlichkeit und Künstlichkeit, lebendiger und toter Materie. Was ihn wiederum in die Nähe des Forschungsansatzes bringt, den Rolf Pfeifers Crew verfolgt. «Ich staune immer wieder», sagt Ventura, «wie viele Ähnlichkeiten es zwischen meiner Arbeit und jener der Forscherinnen und Forscher des AI-Labs gibt.»

Kreative Werkstatt-Gemeinschaft

Im Laufe des neun Monate dauernden Gastaufenthaltes in Zürich-Nord will Pablo Ventura zusammen mit AI-Lab-Mitarbeiter Raja Dravid an einem humanoiden Tanz-Roboter bauen. Ventura ist in dieser Zeit komplett ins AI-Lab integriert; er hat hier seinen Arbeitsplatz, nimmt an Sitzungen teil und kommt mit allen Forscherinnen und Forschern in Kontakt. «Für mich ist das wie ein Sechser im Lotto», schwärmt er. «Es ist phantastisch, wie viel Know-how und Ideen hier zusammenströmen.» Auch die Gastgeber zeigen sich begeistert: «Pablo Ventura», sagt AI-Lab-Mitarbeiter Daniel Bisig, «bringt viel Erfahrung hinsichtlich des menschlichen Bewegungsapparates ein; zudem bereichert er durch seine freie, fachlich unbeschwerte Zugangsweise unsere Forschungsarbeit und verbreitet durch seine Anwesenheit im ganzen Labor eine anregende, heitere und kommunikative Atmosphäre.»

Die ungewöhnliche Werkstatt-Gemeinschaft verdankt sich dem Programm «Swiss Artists-in-Labs», das gemeinsam von der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich, dem Institute of Cultural Studies (ICS) und dem Bundesamt für Kultur organisiert wird – zur Beförderung des Know-how- Transfers zwischen Kunstschaffenden und Wissenschaft. Am AI-Lab wurden bereits letztes Jahr zwei auf diese Weise finanzierte Projekte durchgeführt. «Unsere bisherigen Erfahrungen mit Künstlern», sagt Bisig, «sind so gut, dass wir solche Kooperationen am AI-Lab zur Tradition machen wollen.»