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Selbstbewusste Fondsmanager

Manager von Pensionskassenfonds überschätzen vielfach ihre Fähigkeit, die Entwicklung auf den Finanzmärkten vorherzusehen. Das ist riskant und kann die Versicherten teuer zu stehen kommen.

Von Thomas Gull

Die Schweizer Pensionskassen legen jedes Jahr Milliarden auf den internationalen Finanzmärkten an. Sie setzen damit buchstäblich unsere Altersvorsorge aufs Spiel. Wenn es gut geht, wenn richtig und mit kontrolliertem Risiko investiert wird, kann sich das Spiel lohnen. Wenn nicht, kann das Jonglieren mit Wertpapieren die Versicherten viel Geld kosten. Bei aller Irrationalität, die dem Geschehen an der Börse zuweilen anhaftet, hängt der langfristige Erfolg der Investitionen von den Strategien und dem Augenmass der Pensionskassenmanager ab.

Dieses Augenmass ist nicht bei allen gleich gut, wie die Ökonomen Christoph Gort und Mei Wang zusammen mit dem Psychologen Michael Siegrist herausgefunden haben. Gort arbeitet bei einer Schweizer Pensionskasse und ist Doktorand am Universitären Forschungsschwerpunkt «Finance and Financial Markets» (UFSP Finance) der Universität Zürich. Aufgrund von Beobachtungen hatte er den Eindruck, dass zahlreiche Vermögensverwalter ihr eigenes Urteilsvermögen überschätzen. Das wäre ein Thema für einen Dissertationsaufsatz, dachte sich der junge Ökonom. Gesagt, getan. «Für uns ist das der Idealfall», kommentiert der Leiter des UFSP Finance, Marc Chesney, Gorts Idee, «Finance ist nicht nur eine solide theoretische Wissenschaft, sondern auch praxisrelevant. Deshalb sind für uns Doktoranden, die in der Privatwirtschaft arbeiten, sehr interessant. Sie bringen Ideen und Problemstellungen mit, die sie im Alltag beschäftigen.»

Gort machte sich an die Arbeit. Allerdings nicht alleine – er suchte sich Partner, die Kompetenzen mitbrachten, die für dieses spezifische Projekt nützlich waren: Die Assistenzprofessorin am UFSP Mei Wang, die auf Verhaltensökonomie spezialisiert ist, und den Psychologen Michael Siegrist. «Der Forschungsschwerpunkt bündelt verschiedene Kompetenzen und macht es so möglich, interdisziplinär zu arbeiten», freut sich Chesney.

KOSTSPIELIGE SELBSTÜBERSCHÄTZUNG

Die Zusammenarbeit lohnt sich, wie die Forschungsarbeit von Gort, Wang und Siegrist zeigt. Wie sie herausgefunden haben, gibt es signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Pensionskassenmanagern, wenn es darum geht, die Entwicklung des Marktes richtig einzuschätzen. Das hat die Auswertung von 108 Fragebogen ergeben, die von Schweizer Pensionskassenfondsmanagern ausgefüllt wurden. Die Manager mussten einschätzen, wie sich der Aktienmarkt in den vergangenen 35 Jahren entwickelt hat. Und sie mussten Vorhersagen für die Bandbreite möglicher zukünftiger Entwicklungen machen. Dabei lagen die Manager mit ihren Einschätzungen der historischen Renditen nur in rund zwei Dritteln der Fälle einigermassen richtig. «Oft wird die Volatilität des Marktes unterschätzt», analysiert Mei Wang, «die Kursausschläge sind grösser, als die Manager erwarten.» In der Studie von Gort, Wang und Siegrist lagen die von den Befragten geschätzten Kursschwankungen rund vier Mal tiefer als die historischen.

Wenn ein Fondsmanager die Bandbreite der Kursentwicklung unterschätzt, kann das sehr kostspielig sein – entweder weil er Aktien zu früh verkauft und damit mögliche Kursgewinne verschenkt oder weil er sie zu spät abstösst und dadurch unnötige Verluste einfährt. Grundsätzlich gilt: Wenn die Bandbreite der Kursausschläge zu schmal eingeschätzt wird, steigt das Risiko, überrascht zu werden. Und Überraschungen gilt es beim Spekulieren an der Börse wenn möglich zu vermeiden. Die Wissenschaftler sprechen in diesen Fällen von «falscher Kalibrierung». Diese ist eine Folge der «Selbstüberschätzung» der Fondsmanager. Manager, die ihr eigenes Urteilsvermögen überschätzen, neigen dazu, die Bandbreite der Kursentwicklung zu eng zu setzen. Dadurch entsteht zwar der Eindruck von Kompetenz, aber auch das Risiko steigt, falsch zu liegen. Ausserdem kaufen und verkaufen solche Fondsmanager häufiger. Das generiert Kosten für Transaktionen, die durch eine erhöhte Rendite erst wieder gutgemacht werden müssen.

JUNG, GUT AUSGEBILDET, ERFOLGREICHER

Wie Gort, Wang und Siegrist festgestellt haben, irren sich jedoch nicht alle Pensionskassenmanager im gleichen Ausmass. Es lassen sich vielmehr individuelle Unterschiede ausmachen, die mit dem Alter und der Ausbildung korrelieren: «Ausbildung und Alter sind gute Indikatoren, um vorherzusagen, wie gut kalibriert die Fondsmanager sind», bilanziert Mei Wang. Am besten haben jüngere Fondsmanager mit einem Universitätsabschluss und relativ viel Erfahrung abgeschlossen. Dabei muss es sich nicht unbedingt um ein Studium im Finanzbereich handeln: «Bildung scheint generell wichtig zu sein. Wer über eine bessere Allgemeinbildung verfügt, ist eher in der Lage, Risiken einzuschätzen, und neigt weniger dazu, seine eigenen Fähigkeiten zu überschätzen», resümiert Mei Wang.

Während die jüngeren, gut ausgebildeten, aber relativ erfahrenen Fondsmanager gut abschneiden, rangieren ihre älteren Kollegen ohne Universitätsabschluss und mit weniger Erfahrung am unteren Ende der Skala. Pensionskassenmanager erliegen offenbar mehr, als uns lieb sein kann, der Illusion, etwas unter Kontrolle zu haben, was nicht kontrollierbar ist. Das kann gerade auch Leuten passieren, die schon lange im Geschäft sind. Dagegen wappnet man sich am besten mit einer Ausbildung, die den Realitätssinn schärft. Geschlechtsspezifische Unterschiede lassen sich aufgrund der Datenbasis nicht ausmachen, weil von den 108 Befragten nur 6 Frauen waren. Welche Konsequenzen hat dieses Ergebnis für die Praxis? «Es hilft sicher, wenn es darum geht, einzuschätzen, ob eine Person für die Rolle eines Fondsmanagers geeignet ist», sagt Mei Wang. Die Vermittlung zwischen theoretischem Wissen und der Praxis ist eine der Aufgaben des UFSP Finance. Deshalb werden mit Partnern wie dem vom Schweizerischen Nationalfonds lancierten Nationalen Forschungsschwerpunkt FINRISK oder dem Center for Corporate Responsibility and Sustainabilty regelmässig Kongresse durchgeführt, bei denen sich Wissenschaftler und Praktiker austauschen können.

Dank dem neu geschaffenen Swiss Finance Institute, das die Finanzmarktforschung auf nationaler Ebene vernetzt und bündelt, kann der UFSP Finance in den nächsten Jahren mit zwei ordentlichen Professuren verstärkt werden. Bereits geschaffen wurden zwei Assistenzprofessuren – eine davon wurde mit Mei Wang besetzt –, zwei Oberassistenten- und drei Assistentinnenstellen. «Wir betreiben gezielte Nachwuchsförderung, und wir wachsen ständig », freut sich Chesney. Besonders positiv sei, dass sich für die offenen Stellen und die Doktorandenprogramme junge Finanzmarktforscher aus der ganzen Welt bewerben. Mei Wang beispielsweise hatte drei Optionen: Sie hätte in den USA bleiben, nach China zurückkehren, oder nach Europa kommen können. Schliesslich hat sie sich für Zürich entschieden. Bisher hat sie ihre Entscheidung nicht bereut.