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Lassen Sie sich nicht belästigen

Wer sich anzüglichen Bemerkungen, Aufdringlichkeiten oder gar Nötigungen ausgesetzt sieht, kann an der Universität Zürich (UZH) auf Beratung und Unterstützung zählen. Dies garantiert ein am 1. Mai in Kraft gesetztes Reglement zum Schutz vor sexueller Belästigung.

Mit Liliane Gross vom Rechtsdienst der UZH und Jus-Professorin Brigitte Tag sprach David Werner

Frau Tag, Sie waren Vorsitzende der Expertinnen- und Expertengruppe, welche mit Konzeption und Realisierung des Reglements zum Schutz vor sexueller Belästigung beauftragt war. Woher kam der Impuls, ein solches Reglement zu erstellen?

Brigitte Tag: Der Impuls kam direkt aus dem Gesetz, primär aus Artikel 5 des Bundesgesetzes über die Gleichstellung von Frau und Mann. Danach haben Arbeitgeber geeignete Massnahmen zu ergreifen, um sexuelle Belästigungen zu verhindern. Gleichstellungskommission und Universitätsleitung haben diesen Auftrag aufgegriffen und die bereits erwähnte Expertinnen- und Expertengruppe mit der Erarbeitung des Reglements betraut.

Vor einem Jahr wurde an der Universität Zürich der Verhaltenskodex Gender Policy erlassen, in dem es unter anderem heisst:«Die Würde und Integrität der menschlichen Person ist zu respektieren. Sexuelle Belästigung und sexistisches Verhalten stellen eine Verletzung der Würde dar.» Das ist sehr deutlich. Braucht es da noch ein Reglement?

Brigitte Tag: Die Gender Policy bezieht sich leitbildartig auf die Geschlechtergleichstellung ganz allgemein. Sie enthält Verhaltensrichtlinien für die Universitätsangehörigen, bietet aber keine Handhabe, wie im spezifischen Fall des Verdachts einer sexuellen Belästigung zu verfahren ist. Dies leistet das neue Reglement. Es definiert Zuständigkeiten, und legt fest, wie betroffenen Personen geholfen werden kann und wie fehlbare Personen zur Rechenschaft gezogen werden sollen. Solche Verfahrensregelungen schaffen Klarheit und Transparenz. Das wirkt vertrauensbildend für eine Person, die belästigt wurde und zunächst mit dem Problem ganz allein dasteht. Und es wirkt präventiv. Durch das Reglement bringt die Universität zum Ausdruck, dass sie das Thema sehr ernst nimmt und Fehlverhalten nicht duldet.

Frau Gross, Sie waren als Vertreterin des Rechtsdienstes mit der Ausarbeitung des Reglements befasst. Wie hat man eigentlich an der Universität Zürich bisher auf Fälle von sexueller Belästigung reagiert?

Liliane Gross: Anstösse zu internen Abklärungen liefen bisher dezentral von verschiedensten Stellen aus. Es gab keine klar geregelte Vorgehensweise. Meistens erfolgte eine Anzeige über die UniFrauenstelle – Gleichstellung von Frau und Mann. Untersuchungshandlungen erfolgten sodann durch eine sachverständige Person, unter Beizug des Rechtsdienstes. Allfällige externe Untersuchungshandlungen wurden von der Universitätsleitung in Auftrag gegeben. Massnahmen wurden nach Durchführung der Untersuchungshandlungen von den jeweils zuständigen Personen ergriffen.

Worin sehen Sie die Qualitäten des nun vorliegenden Reglements?

Liliane Gross: Das Reglement erlaubt es, flexibel auf alle denkbaren Vorfälle zu reagieren. Besonders viel Wert haben wir auf den Schutz der Persönlichkeitsrechte und die Wahrung der Intimsphäre der betroffenen Person gelegt. Das Verfahren ist primär niederschwellig ausgestaltet worden, da es erfahrungsgemäss den meisten Leuten, die sexuell belästigt werden, viel Selbstüberwindung abfordert, eine Aufklärung des Sachverhalts zu erwirken. Um ein solches Verfahren für die betroffene Person so klar und überschaubar wie möglich zu gestalten, werden als zentrale Anlaufstelle zwei Ansprechpersonen bestimmt. Sie koordinieren in einem ersten Schritt die weiteren Massnahmen – von der psychologischen Unterstützung über die Weiterleitung des Vorfalles an die untersuchende Person.

Können interne Untersuchungen ein Strafverfahren durch die Justiz ersetzen?

Brigitte Tag: Allfällige Strafverfahren wegen strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität (Art. 187 ff. StGB) erfolgen bei entsprechender Kenntnis durch die Justizbehörden, unabhängig von einem universitätsinternen Verfahren wegen sexueller Belästigung. Einfache sexuelle Belästigung kann im Einzelfall ein Straftatbestand sein - muss es aber nicht. Es kommt hier ganz auf die Details im konkreten Fall an. Wichtig ist: Die Massnahmen der Universität werden immer unabhängig von der Durchführung eines allfälligen Strafverfahrens getroffen. Die Zielsetzungen sind auch ganz andere: Die Justiz hat dem Strafgesetz Geltung zu verschaffen. Der UZH geht es darum, Konstellationen, in denen sexuelle Belästigungen vorkommen, umgehend zu korrigieren, mit dem Ziel einer diskriminierungsfreien Arbeits- und Studienatmosphäre.

Kann das Reglement vermeiden helfen, dass Fälle von sexueller Belästigung an die Öffentlichkeit gelangen und dort zum Schaden aller Beteiligten breitgewalzt werden?

Brigitte Tag: Es ist nicht Aufgabe des Reglements, Vorfälle zu verheimlichen. Dazu besteht auch keinerlei Notwendigkeit.Denn kein Unternehmen aus der Privatwirtschaft und keine öffentliche Einrichtung ist gegen solche Vorfälle gefeit. Aber es ist in jedem Fall unerfreulich, wenn in Ermangelung interner Verfahrensregeln ein Fall öffentlich diskutiert wird, der mit viel weniger Risiken für die Beteiligten intern hätte geklärt werden können. Mit dem nun geschaffenen Reglement haben wir ein sensibles Instrument zur Hand, das unter Schonung der Interessen aller Beteiligten gute Lösungen herbeiführen kann. Natürlich kann weiterhin jede Person, die sich unrecht behandelt fühlt, an die Strafjustiz oder die Öffentlichkeit gelangen und sich auf diese Weise wehren. Sie muss dann aber auch die Konsequenzen alleine verantworten.

Muss man nun Angst haben, dass man bei jeder Kontaktaufnahme in Gefahr läuft, der Belästigung bezichtigt zu werden?

Brigitte Tag: Ganz gewiss nicht. Das Reglement soll in keiner Weise entspannte, persönliche Kommunikation unterbinden; es bezieht sich lediglich auf – hoffentlich selten vorkommendes – Fehlverhalten. Sollte jemand auf die schlechte Idee kommen, eine Person, die sich nichts hat zu Schulden kommen lassen, wider besseres Wissen der sexuellen Belästigung zu bezichtigen oder entsprechendeVerdächtigungen zu verbreiten, dann wird auch dies sanktioniert.